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Jürgen Suberg über

Das Buch Kohelet

Ich nahm mir vor, alle Dinge zu ergründen und zu begreifen. Ich wollte herausfinden, was für einen Sinn alles hat, was in der Welt geschieht. Doch was ist das für eine fruchtlose Beschäftigung! Gott hat sie den Menschen gegeben, damit sie sich mit ihr plagen.

Ich bin weder Germanist, noch Theologe, auch bin ich noch kein wirklicher akademischer Philosoph. Ich bin ein Leser, und ich versuche nur ein Buch zu fühlen, anstatt es zu analysieren.
Ein Buch gibt es, über das man viel geschrieben hat, jeder kennt es, die Falschen lesen es. Es ist DAS Buch, und in einem gewissem Sinne stimmt es sogar. Es ist das Fundament unserer Kultur. Und selbst wenn wir behaupten, nicht seinen Lehren zu folgen, dann sind wir verblendet, denn wir leben, egal ob bewusst oder unbewusst, in unserer abendländischen Kultur im Geiste diesen eines Buches: Die Bibel.
Die Kritiker, die sich alle als "moderne" Atheisten verstehen, höre ich jetzt schon wieder stöhnen, wenn nicht sogar höhnen, was das denn jetzt hier solle. Dieser alte Schinken, der in jedem Schrank steht, ungelesen und unverstanden, komplex und doch relativ einfach zu verstehen.

Jeder, der behauptet, ein bisschen Geist und Kultur zu haben, muss sich zwangsläufig mit diesem Buch auseinandersetzen. Man muss wissen, wie dieses Buch aufgebaut ist, in etwa seine Aufteilung und vor allem, dass es eines nicht gibt: eine Bibel. Was wir als Bibel bezeichnen ist nichts anderes als ein Sammelband semitischer und christlicher Texte. Es ist relativ unmöglich ein solches Buch mit einem kurzen Text zu beschreiben und "vorzustellen", also will ich mich auf ein einziges Buch der Bibel konzentrieren.
"Das Buch Kohelet", auch "Prediger" genannt, ist eine Schrift im alten Testament. Ich will es hier kurz vorstellen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele kennen. Dabei ist es gerade für den Personenkreis, welcher wahrscheinlich diese Seite besucht, ziemlich interessant. Und es hat den Vorteil, dass es wahrscheinlich in jedermanns Bücherbord steht.

Der erste Gedanke, denn ich bei der Lektüre dieses Buches hatte, war, dass es gerade heute sehr modern ist. Ich denke, die grundlegenden Gedankengänge sind von jedem von uns leicht nachzuvollziehen: Die Reflexion über den Sinn. Die Antworten, die der Prediger findet, überraschen vielleicht, vor allem weil sie in einem Buch stehen, auf das viele Anspruch erheben, es gebe dem Leben einen (christlichen) Sinn. Denn er sagt: "Völlig sinnlos ist alles". Der Mensch ist nicht in der Lage den Sinn zu entdecken, weil es keinen Sinn in der Welt gibt. Alles, was man tut, ist "ein Greifen nach dem Wind", also eine absurde Tat.
Man sucht bei ihm das typische religiöse Geheuchel, man soll fromm, demütig und gottesfürchtig sein vergebens, im Gegenteil:
Auch ich kenne das Sprichwort: "Wer Gott ernst nimmt, dem geht es gut. Aber wer Unrecht begeht, der hat kein Glück. Sein Leben ist kurz und flüchtig wie ein Schatten, weil er Gott nicht ernst nimmt." Doch das ist Unsinn! In der Welt sieht es oft genug ganz anders aus: Da sind Menschen, die Gottes Gebote befolgen, und es ergeht ihnen, wie es Verbrechern gehen sollte. Und es gibt Verbrecher, denen es so gut geht, als hätten sie alle Gebote Gottes befolgt. Es bleibt dabei: Ich sehe darin keinen Sinn! Darum soll sich der Mensch an die Freude halten. Er soll essen und trinken und sich freuen; das ist das Beste, was er unter der Sonne bekommen kann während des kurzen Lebens, das Gott ihm auf dieser Erde schenkt.
Pred. 8,12-15

Im Hinblick auf die restlichen Texte ein sehr nachdenklich stimmendes Buch. Und einzigartig in der ganzen Bibel. Der Prediger vertritt eine sehr agnostische Sicht der Welt, in ihren Denkstrukturen sehr an den modernen Existenzialismus erinnernt.
Seine Sicht ist die Sicht eines Intellektuellen, der sich alles leisten kann. Er schreibt von sich selber, er sei ein König von Jerusalem und sein Reichtum wäre größer als der seiner Vorgänger gewesen. Auf der Suche nach seinem Glück versucht er alles. Erst beschließt er, sich durch Lernen und Erfahren ein ungeheures Wissen anzueignen, doch er sieht selber ein:

Doch als ich darüber nachdachte, was Wissen eigentlich ist und was der Kluge dem Dummen voraushat, erkannte ich: Auch die Bemühung um Wissen ist Jagd nach Wind. Wer viel weiß, hat viel Ärger. Je mehr Erfahrung, desto mehr Enttäuschung.
Pred. 1,17-18

Auch sein Entschluss, sich dem Genuss hinzugeben, scheitert:

Ich entschloß mich, das Leben zu genießen und glücklich zu sein. Aber ich merkte: Auch das ist sinnlos. Das Lachen ist etwas für Narren, und die Freude - was bringt sie schon ein?
Pred. 2,1-2

Seine Überlegungen kreisen hauptsächlich um den Sinn, bzw. Unsinn der Welt. Zwischen ihm und uns liegen bald dreitausend Jahre, und er hat damals genau dasselbe gefühlt, wie wir alle, die mit dem System unzufrieden sind, die im Angesicht einer klaffenden Schlucht zwischen Wirklichkeit und Ideal verzweifeln zu drohen. Ein solches altes Buch vorzustellen, bzw. sich ins Gedächtniss zu rufen, gibt unerwartete Hoffnung. Denn es ist beruhigend, dass die Sinnlosigkeit und Absurdität nicht Heute neu erfunden wurde, sondern fast so alt ist wie unsere Kultur.

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